Teuflische Orte, die man gesehen haben muss (Leseprobe)

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Heiko Hesse

Teuflische Orte, die man gesehen haben muss

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung auf DVDs, CD-ROMs, CDs, Videos, in weiteren elektronischen Systemen sowie für Internet-Plattformen. © edition q im be.bra verlag GmbH Berlin-Brandenburg, 2018 KulturBrauerei Haus 2 Schönhauser Allee 37, 10435 Berlin Lektorat: Matthias Zimmermann, Berlin Satz: typegerecht, Berlin Schrift: DTL Paradox, Seravek Druck und Bindung: Multiprint, Kostinbrod ISBN 978-3-86124 -717-3 www.bebraverlag.de

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Inhaltsverzeichnis

Vorneweg

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Die Sache mit dem Daumen 1 Wie die Aachener den Teufel zwei Mal überlistet haben

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Lebensgefährliche Aussicht 2 Das Teufelsloch hoch über der Ahr

16

Unterwegs die Ladung verloren 3 Wie der Teufel das Felsenmeer in der Davert schuf

18

Jeder Glockenschlag ein Stich in die Brust des ­Teufels 4 Der Perlachturm in Augsburg

20

Teufelsstein und Höllenschlund 5 Der Böse wirkt in Bad Belzig

22

Wo der Hintern des Bösen im Walde liegt 6 Der Teufelsstein bei Bad Dürkheim

24

Richtig müde Beine 7 Der schwerste Weg auf den Brocken

26

Von wegen nur eine Sage 8 Der handfeste Streit um die Teufelsskulptur in Bad Laer

28

Die Seele des dummen Esels 9 Wie Burg Rheingrafenstein vom Teufel gebaut wurde

30

Der Blutdurst des Bösen 10 Die Teufelskammer auf dem Deister

32

Im tiefen Tal der Hoffnungslosigkeit 11 Im Schwarzwald tauschte der Teufel einen Stein gegen ein Herz ein

34

Die ganze Pracht der Gier und des Verderbens 12 Das Höllenbild in St. Marien in Bergen

36

Ruine ist nicht gleich Ruine  (13) 13 Die Teufelsbrücken von Baumeister Persius in Potsdam und Berlin 38

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Der unheimliche Riss 14 Wie der Teufel einen vorlauten Burschen aus der Nikolaikirche in Spandau entführte

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Zu den Ohren des Kalten Krieges 15 Der Teufelsberg im Berliner Grunewald

42

Aus der Hölle nach Berlin 16 Ein echter T. rex fasziniert die Besucher des Naturkundemuseums

44

Des Teufels General 17 Wie sich Flieger Ernst Udet dem Bösen verschrieb

46

Teuflisch gute Klettertour 18 Die Teufelsmauer bei Blankenburg

48

Ein Heiliger wettet mit dem Bösen 19 Der Teufelsstein von St. Ulrich im Hochschwarzwald

50

Die Rache der Slawen 20 Warum der Brandenburger Dom beinahe eingestürzt wäre

52

Wenn der Teufel den Leuten Sand in die ­Augen streut 21 Wie der Mariengrund in Brandenburg an der ­Havel ­entstand

54

Mit Ruhe und Beharrlichkeit 22 Der arme Teufel zu Füßen des Bremer Rolands

56

Luzifers Schwung 23 Wie der Teufel einen Mühlstein nach der Rottstocker Kirche warf 58 Wo der Kurpfalzjäger seiner Lust frönte 24 Der Teufelsfels im Soonwald

60

Unglaublicher Hexenwahn 25 In Büdingen wurden Hunderte Menschen des Teufels bezichtigt und ermordet

62

Die Liebe wiegt schwerer als das Böse 26 Der Teufel am Michaelisbrunnen in Buttstädt

64

Weiß der Teufel, wo die Hamelner ­Kinder ­stecken 27 Ein Ursprung der Rattenfängersage bei Coppenbrügge

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Darum ist alles so schön krumm 28 Auf Ochsentour mit dem Teufel durch den Spreewald

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Wie der Muttermörder der Hölle entkam 29 Der Teufelskeller bei Drosa in Sachsen-Anhalt

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Den Teufel an die Wand gemalt 30 Auf der Wartburg musste Martin Luther den Anfechtungen des Leibhaftigen widerstehen

72

Das Bild vom Bösen 31 Spiel mit dem Teufel am Drehort Kloster Eberbach am Rhein

74

Gekämpft wie tausend Teufel 32 Die Dusenddüwelswarf in Dithmarschen

76

Echt zum Heulen 33 Warum der Teufel so sauer auf die Esslinger ist

78

Die Spuren des Bösen 34 Der Teufelsstein bei Feldberg in Mecklenburg

80

Pass bloß auf! 35 Der Brückenhahn mahnt Schiffer auf dem Main in Frankfurt zur Vorsicht

82

Der betende Teufel 36 Das Tympanon im Freiburger Münster und seine diabolischen Darstellungen

84

Ortsgründungen dank des Teufels 37 Wie die Bredows ins Havelland kamen

86

Kein guter Ort für Lästermäuler 38 In Fulda leuchtet der Teufel den bösen Zungen den Weg

88

Kein Bann hält ewig 39 Der Teufel im Krüppel und das Ringen gegen Atomstrom in Gelsenkirchen-Nord

90

Teuflisch lecker 40 Die Teufelskanzel bei Gerbershausen und ein geheimnisvolles Gasthaus

92

Wo Manfred Krug ein Wilddieb war 41 Die Teufelsmühle bei Glashütte im Erzgebirge

94

Teufels Werk im heiligen Haus 42 Als in Goslar zwei geistliche Würdenträger in der Kirche aufeinander einschlugen

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Der Berg ruft 43 Durch die Höllentalklamm zur Zugspitze

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Höllisch schön gelungen 44 Die Teufelsmühle in Ilbeshausen im Vogelsberg

100

Der Meister der Verführung 45 Wie die Halberstädter den Teufel linkten, der aber ein Denkmal bekam

102

Verdammt in alle Ewigkeit 46 Die Teufelsküche bei Haldensleben

104

»Des Teufels Intendant« 47 Gustaf Gründgens im Spiel mit dem Bösen

106

Der Böse, der um Gnade fleht 48 Die Engel-Teufel-Skulptur am Hamburger Michel

108

Wo Satan mit Störtebeker Zwiesprache hielt 49 Die Teufelsbrücke an der Hamburger Elbchaussee

110

Die Wohltat des Schwefels 50 In Hannovers Stadtwald Eilenriede liegt das Teufelsbad

112

Der Lauscher an der Wand 51 Ein Horn des Teufels hat sich in den Hildesheimer Dom eingebrannt

114

Holz hält nicht ewig 52 Das Hirsch-Denkmal hoch über dem Höllental bei Hinterzarten

116

Keine Ruhe vor den Christen 53 Was der Wackelstein der Externsteine mit dem Teufel zu tun hat

118

Hüte dich vor dem Vogelsteller 54 Die uralten Teufelslöcher bei Jena

120

Die roten Teufel vom Betzenberg 55 Kaiserslauterns Fußball und seine Fans

122

Der klare Blick auf das Böse 56 Wie Schriftsteller Lessing aus Kamenz den Teufel sah

124

Ein berühmtes und gefürchtetes Schauspiel 57 Die Teufelsbrücke in Kassel-Wilhelmshöhe

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Der Zorn des Himmels 58 Wie bei Prützke eine Gaststätte zur Hölle fuhr

128

Verrückte Welt 59 Warum die Kirche im brandenburgischen Rädel verkehrt herum steht

130

Was lange währt 60 Wie der Teufel den Bau des Kölner Doms behindert, aber nicht verhindert hat

132

Von wegen süße Häschen 61 Weshalb der Teufel im Jagdfries am Kaiserdom in Königslutter steckt

134

Die tückische Tiefe gibt keinen mehr her 62 Der Teufelstisch im Bodensee

136

Der versteckte Teufelsberg 63 Wo ein märkischer Adeliger einen Pakt mit dem Bösen schloss

138

Wo der Böse erfrischend ist 64 Die Teufelsküche in Landsberg am Lech

140

Die verzauberten Studenten 65 Faust und der Teufel in Auerbachs Keller in Leipzig

142

Das diabolische Sprudeln 66 Warum in Hölle im Frankenwald kein Zug mehr hält

144

Das große Chaos auf der Kuppe 67 Die Teufelsmühle bei Loffenau im Nordschwarzwald

146

130 teuflische Meter 68 In Lübeck geht es durch das Fegefeuer ins Paradies

148

Wer zuletzt lacht 69 Das fröhliche Teufelchen vor der Lübecker Marienkirche

150

Vom Popeln und Pinkeln 70 Der Faun- oder Teufelsbrunnen im Magdeburger Stadtzentrum

152

Der Groll des Bösen währet ewiglich 71 Der Teufelsfluch über der Katharinenkirche in Magdeburg

154

Zur Hölle mit der Geschichte 72 Das Ringen um den Erhalt der Mannheimer Teufelsbrücke

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Misstraue nie einem gutherzigen Weibe 73 Warum der Teufel einen Mayener Kirchturm verdreht hat

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Vom Pfäfflein und der Teufelswurst 74 In Mechtshausen hinterließ Wilhelm Busch einen diabolischen Gruß

160

Mit dem Bösen im Bunde 75 Ein Pfarrer im friesischen Medelby war des Teufels Schüler

162

Wenn der Böse Zwietracht sät 76 Der alte Schlüsselstein bei Mellrichstadt

164

Diabolischer Luftsprung 77 Warum der Teufel einen Abdruck in der Münchner Frauenkirche hinterließ

166

Ab ins Bett, sonst holt dich der Nachtkrabb 78 Der Waldrapp und die Teufelsmauer bei Murrhardt in Schwaben 168 Bis Dir der Teufel nicht mehr dienen will 79 Der Junker-Hansen-Turm im mittelhessischen Neustadt

170

Der Teufel hat den Schnaps gemacht 80 Wie der Branntwein nach Nordhausen kam

172

Die Hölle unter Tage 81 Das KZ Mittelbau-Dora im Kohnstein in Thüringen

174

Warnung an alle Betrüger 82 Das Teufelsbrünnlein in Nürnberg

176

Auf ein Tänzchen mit dem Teufel 83 Der mysteriöse Blutfleck im Herrenhaus Hoyerswort

178

Diabolische Bauwerke vor beeindruckender Kulisse 84 Der Teufelsstein an der Saarschleife

180

Wo der Teufel in die Luft ging 85 Ein Gemälde aus dem Spätmittelalter zeigt Satan am Beichtstuhl

182

Doof bleibt doof 86 Warum es im Teufelsmoor bei Bremen so wenig diabolisch zugeht

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Die Erde bewegt sich 87 Hölle, Teufelsmühle und zwei Sühnesteine in Oybin bei Zittau

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Mit Satan zu den Sternen  (88) 88 In Peenemünde haben Techniker ihre Seelen an den Teufel verkauft

188

In die dunkle Tiefe hinab 89 Der Teufelssee am Rande von Potsdam

190

Lass dir bloß keinen Bären aufbinden 90 Die Teufelshöhle in der Fränkischen Schweiz

192

Leg dich nie mit einem Erzengel an 91 Des Teufels Versuch, den Heiligen Georg in Prenzlau zu berauben

194

Das Böse lauert hinter dem Schilf 92 Der versteckte Teufelsstein bei Pudagla auf Usedom

196

Ein teuflischer Irrtum 93 Warum Moses im Ratzeburger Dom Hörner trägt

198

Wo die Maid im Innern winselt 94 Des Teufels Schloss im Großen Markgrafenstein bei Rauen

200

Weil auch Tiere Seelen haben 95 Die Teufelsbrücke über die Donau in Regensburg

202

Mörderisches Wasser 96 Der Teufelsbach in Remscheid-Hohenhagen

204

Über den Deister zum Teufel gehen 97 Ein höllischer Höhenzug im westlichen Niedersachsen

206

Die ewig Trinkende 98 Die Sage um die Teufelskuhle in Rostock

208

Bis die Säulen zerbrachen 99 Wie der Teufel den Bau des Klosters Paulinzella störte

210

Teufelszeug in leuchtenden Farben 100 Das alte Vitriolbergwerk in Schmiedefeld am Rennsteig

212

Wo wirklich einmal ein Krug verschwand 101 Vom Untergang der Waldhalle bei Sellin

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Ewig lockt das Weib 102 Die teuflisch-schöne Loreley hoch über dem Rhein

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Zur Hölle mit den Millionen 103 Die kostspielige Teufelstalbrücke bei Hermsdorf

218

Meister des Grauens 104 Wie Max Schreck die Welt das Fürchten lehrte

220

Teuflisches Verwirrspiel 105 Wer war Dr. Faust und starb er wirklich in Staufen?

222

Wo der Böse die Leute verführt 106 Die sieben Todsünden an der Chorschranke der Nikolaikirche in Stralsund

224

Der Teufel tanzt mit der Mode 107 Der Hexentanzplatz in Thale

226

Die Kraft der Elle 108 Wie ein Schneider bei Treuenbrietzen dem Teufel entkam

228

Allen Versuchungen widerstanden 109 Die Teufelsschlucht bei Wehlen in der Sächsischen Schweiz

230

Und bin so klug als wie zuvor 110 Wo man Goethes teuflisch gutem Drama in Weimar begegnen kann

232

Der mysteriöse Tod im alten Kornhaus 111 War der Herzog von Sachsen-Weimar des Teufels?

234

Die letzte Niete 112 Warum das Teufelsgitter zu Wismar unvollendet blieb

236

Ortsregister

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Karte

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Bildnachweis / Über den Autor

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Vorneweg Warum, zum Teufel, so ein diabolischer Reiseführer? Weil es einfach Zeit war, diesen Spuren zu folgen, die so viele Menschen hinterlassen haben. »Ach, endlich mal kein Engelsbuch«, seufzte eine Mitarbeiterin der Stralsunder Nikolaikirche erleichtert, als ich mit ihr über das Vorhaben sprach. An so vielen Orten in Deutschland stößt man auf Teufel, doch wahrgenommen werden sie kaum. Dabei offenbaren die Teufelssteine, Teufelsküchen, Höllen und Fegefeuer unglaublich viel über die Menschen und ihre Zeit – über ihre Ängste, ihre Machtgelüste, ihre Gepflogenheiten, ihren Glauben, ihre Gier und ihre Irrtümer. An den teuflischen Orten erwarten den Leser Geschichten, die er aus anderen Zusammenhängen kennt. Man trifft einen betenden Teufel in Freiburg, steht vor den Raketen des Wernher von Braun in Peenemünde, sucht den Tintenfleck in Luthers Stube auf der Wartburg, begegnet Hans Fallada in Mecklenburg, steigt mit Dr. Faust in Auerbachs Keller in Leipzig, läuft mit Fritz Walter ins Kaiserslauterner Stadion ein, schweigt vor dem Grab des großen Schauspielers Gustaf Gründgens und sucht nach den verschollenen Kindern von Hameln. Dass sehr oft Kirchen das Ziel der Touren sind, liegt in der Natur der Sache. Den Teufel in seiner heutigen Prägung haben die Christen geschaffen. Sie haben vorchristliche Kultplätze als Teufelsorte diskreditiert und den Leibhaftigen nicht selten in den Kirchen dargestellt. Der Kampf des Guten gegen das Böse ist gerade dort präsent. Ob der Teufel ein Kerl mit Hörnern, Pferde- oder Ziegenhuf, zänkischer Großmutter und Schwefelgestank ist, muss jeder für sich entscheiden. Manche sehen ihn in Gestalt verführender Personen, und die können durchaus in edlen Gewändern und Wohlgeruch daherkommen. Ich halte es mit Umberto Eco, der in seinem Buch »Der Name der Rose« den Teufel des Öfteren bemüht. Ein sehr gutes Beispiel: »Der Teufel ist nicht der Fürst der Materie, der Teufel ist die Anmaßung des Geistes, der Glaube ohne ein Lächeln, die Wahrheit, die niemals vom Zweifel erfasst wird.« Zwischen Flensburg und Garmisch, Bautzen und Aachen gibt es sehr viel mehr als die hier vorgestellten 112 teuflischen Orte. Wer meint, dass in dieser Sammlung welche fehlen, schicke mir (über den Verlag) Fotos und ein paar Stichworte dazu. Sollte es einen zweiten Band geben, nehme ich diese Orte auf. Nun viel Vergnügen beim Lesen und Entdecken. Und immer daran denken: »Der einzige Beleg, der für die Anwesenheit des Teufels spricht, ist jedermanns Begierde, ihn am Werk zu sehen« (ebenfalls von Umberto Eco). Heiko Hesse   13

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Die Sache mit dem Daumen Wie die Aachener den Teufel zwei Mal überlistet haben Die Leute haben keine Ehrfurcht. Früher hätten sie einen großen Bogen um Satan geschlagen, heute würden ihn die Menschen über den Haufen fahren, wenn er ihnen im Weg ist. Auf dem Lousberg in Aachen mussten besorgte Mitbürger das Teufelsdenkmal eigens mit einer Kette vor den Autofahrern schützen, denen nichts heiliger ist als ein Stellplatz für das geliebte Verkehrsmittel. Bildhauerin Krista Löneke-Kemmerling hat eine zentrale Aachener Sage auf ihre Weise umgesetzt. 1985 schuf sie einen Teufel, der am Boden sitzt und sich mit der linken Hand verzweifelt den Kopf kratzt. Davor steht eine stolze, kräftige Marktfrau, die für Luzifer nur ein mildes Lächeln übrig hat. Dieses Ensemble hat man auf den Lousberg nördlich der Aachener Innenstadt gesetzt, und das aus gutem Grund. Beim Bau des Doms soll den Aachenern das Geld ausgegangen sein. Alle Versuche, mit weltlichen Mitteln wieder in die Spur zu kommen, etwa mit höheren Steuern, waren erfolglos. Da blieb den Leuten nur, auf das Angebot des Teufels einzugehen. Der Deal: In Windeseile baue er das Gotteshaus auf seine Kosten zu

Das Teufelsdenkmal am Lousberg

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Ende. Dafür bekomme er die erste Seele, die den fertigen Dom betritt. Die Aachener willigten ein, der Böse legte los, und wie alles stand, wollten die Leute keinen Mitbürger opfern. Stattdessen führten sie einen Wolf hinein. So war es zwar aus Sicht des Teufels nicht ausgemacht, aber Seele bleibt nun mal Seele. Wütend brauste Luzifer auf. Doch als das Domportal zuschlug, passte er nicht auf. Sein Daumen blieb an der Tür hängen und riss ab. Der dunkle Fürst sann auf Rache. Sollten die frechen Aachener mit ihrer Kirche doch im Boden verschwinden, dachte er sich. Er zog aus, lud Sand in Säcke und schleppte sie nach Aachen. Das ganze Tal wollte er füllen. Ob er den Sand wirklich von der Nordsee holte, wie eine Heimatautorin schrieb, ist nicht überliefert. Jedenfalls kam er mit der schweren Last keuchend von Norden heran. Das Portal des Aachener Dom Er wusste nicht, dass er fast am Ziel war, s und wollte kurz verschnaufen. Da kam eine Marktfrau daher. Wie weit es denn noch bis Aachen sei, fragte der Teufel die Frau. Sie erkannte sofort, wer da vor ihr stand. Aus ihrem Beutel fischte sie einen uralten Kanten Brot und sie zeigte dem Teufel ihre durchgelaufenen Schuhe. Und schwindelte: »Seht, guter Mann, beides habe ich auf dem Markt in Aachen neu erstanden, von dem ich gerade komme. Ihr seht, wie weit ich gelaufen bin.« Satan war dermaßen erschöpft, dass er die Säcke einfach fallen ließ. Sie platzten auf und bildeten den Lousberg und den Salvatorberg unmittelbar vor der Stadt. Mit dem Namen »Lousberg« haben sich die Aachener selbst geadelt. »Lous« bedeutet im dortigen Plattdeutsch »schlau«. Als das Aachener Teufelsdenkmal enthüllt wurde, entdeckte man einen kleinen Fehler der Bildhauerin. Doch louse Aachener korrigierten ihn klammheimlich. Seither fehlt dem sitzenden Teufel an der rechten Hand der Daumen. Sage hin, Sage her, Ordnung muss sein.

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Info Das Denkmal steht am ende der Kupferstraße in Aachen.

D I E S AC H E m I T D E m DAU m E n

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Lebensgefährliche Aussicht Das Teufelsloch hoch über der Ahr Das ist kein Scherz: Die Aussicht am Teufelsloch in Rheinland-Pfalz ist lebensgefährlich. Im Herbst 2015 stürzte eine Wanderin an dieser sagenumwobenen Stelle hoch über der Ahr 17 Meter in die Tiefe und erlag im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen. Da können die Einheimischen und die Fremdenverkehrsexperten warnen, wie sie wollen. Die Tragödie ist offensichtlich kein Einzelfall. In der Region um Altenahr »häufen sich solche Einsätze in den letzten Jahren«, zitiert der Kölner »Express« einen Feuerwehrmann. So sehr, dass die Feuerwehr eigens eine Spezialgruppe »Absturzsicherung« gebildet habe. Dass die Frau, die am Teufelsloch ums Leben gekommen ist, Wanderschuhe trug, zeigt wie gefährlich diese Ecke ist. Auch wenn der Ausblick teuflisch schön ist und seit ewigen Zeiten als beliebtes Motiv für Ansichtskarten dient. Der Sage nach stieß der Gottseibeiuns im Tal der Ahr auf Land und Leute, die ihm gefielen. Mehr noch brachte ihn der vorzügliche Rotwein auf den Geschmack, in dieser Ecke zu bleiben. So vergaß er, nach Hause zurückzukehren. Wie er eines schönen Tages, und von solchen schönen Tagen gibt es an der Ahr wirklich viele, auf dem Berg gegenüber der Burg Are saß und es sich gut gehen ließ, trat eine zauberhaft schöne Maid an ihn heran. Und wie das so ist: Steigt die Liebe in den Kopf, ist der Verstand im Arsch. Der verknallte Teufel erkannte nicht, dass es sich nicht um ein süßes Mädchen handelte, sondern um seine Großmutter, die sich verkleidet hatte. Er griff sich die vermeintlich Schöne und wollte sie inniglich herzen. Doch das war Oma zuviel, und im Handumdrehen verwandelte sie sich zurück in ihre eigentliche Gestalt. Erst rutschte dem Teufel vor Schreck das Herz in die Hose, dann packte ihn die blanke Wut – oder war es die Angst vor der Standpauke dafür, dass er sich so lange nicht gemeldet hatte? Jedenfalls schnappte er sich seine Großmutter und schleuderte sie durch die Felswand hinunter in die Hölle zurück, berichtet die Sage. Zurück blieb das Loch, durch das man auf die Ruine der Burg Are und eine herrliche Landschaft schauen kann. Kein Wunder, dass es die Menschen an diese einzigartige Stelle zieht. Der Streit des Teufels mit seiner Großmutter taucht in der Sagenliteratur immer wieder auf. Der Weg zum Teufelsloch ist ausgeschildert. Man kann zum Beispiel am Rotweinwanderweg die Ahr entlang in Altenahr einen Abstecher nutzen. Doch Vorsicht in der Nähe des diabolischen Ausblicks. Es soll ja nicht die letzte Wanderung sein. 1 6   T EU F L I S C H E O R T E

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Blick durch das Teufelsloch im Jahre 1908

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Info In Altenahr, Landkreis Ahrweiler, auf dem Parkplatz vom Sessellift parken, aus dem Ort heraus über die Ahr gehen und dem Wanderweg 7 bis zum Teufelsloch folgen.

L e b e n s g efä hrliche Aussicht  1 7

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Unterwegs die Ladung verloren Wie der Teufel das Felsenmeer in der Davert schuf Merkt es der Teufel wirklich nicht? Da fliegt er mit großen Säcken über das Land, mal mit Sand beladen, mal mit Steinen. Er passt nicht auf, der Stoff reißt, und nach und nach verliert der Böse seine Ladung – ohne es zu bemerken. Daraus sind, vielen Sagen nach, alle möglichen Hügel und Berge entstanden. In Westfalen war es ein spitzer Stein. Zu Fuß zog der Böse mit einem Sack voller Felsbrocken von hier nach da. Der Sack schrammte einen Stein, riss ein, und sein Inhalt begann herauszufallen. An der Grenze zum Sauerland gab der Stoff gänzlich nach und alle Brocken, die noch drinnen waren, purzelten heraus. So, sagt man, entstand das Felsenmeer, Teil der Davert, einer ausgedehnten Flachmulde im zentralen Münsterland. Und Luzifer? Ein Bauer aus Davensberg will an einem Sonntagabend auf dem Heimweg einem Kiepenkerl begegnet sein. Der saß neben seiner Kiepe, rauchte ein Pfeifchen und kam mit dem Bauern ins Gespräch. Wie sie wieder auseinandergingen, bekam der Bauer einen heftigen Schlag auf den Rücken

Das Felsenmeer im Davert, um 1925

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und fiel zu Boden. Als er sich aufrichtete, war der Kiepenkerl fort. »Da erkannte der Bauer, dass der Leibhaftige ihm den Schlag versetzt hatte«, heißt es in der Sage, »denn der Schlag war genau wie der eines Pferdehufs«. Geht man von Davensberg über die Autobahn 1 hinweg in Richtung Rinkerode, stößt nach gut zwei Kilometern der Grüne Weg auf die Straße. In diesem Bereich steht die Teufelseiche, ein wahrhaft diabolisch anmutender Baum. Rund 200 Jahre alt soll die 20 Meter hohe Eiche sein. Mit einem Stammumfang von mehr als drei Metern macht der Baum einen vitalen Eindruck, auch wenn er mit der Zeit einige starke Äste verloren hat. Noch vor 200 Jahren war die Davert südlich von Münster sehr unwegsam und von feuchtem Sumpf- und Bruchwald beDie Teufelseiche in Ascheberg deckt. Hinzu kamen karge Heidegebiete und kleine Moore – eine gruselige Landschaft. »Aus dieser Zeit«, sagt man, »stammen zahlreiche volkstümliche Sagen und Märchen.« Auf Burg Davensberg, mitten in der Davert, lebte vor vielen Hundert Jahren ein mächtiger Ritter, erzählt eine dieser Geschichten. Es war ein rauer, unfreundlicher Mensch, der seine Untertanen die Knute spüren ließ. Er sei mit dem Teufel im Bunde, waren die Leute überzeugt. Einst war der Ritter an einem Ostersonntag auf der Jagd. Als man ihn warnte, den hohen Festtag nicht zu entheiligen, lachte der rüde Ritter bloß und rief: »Ich will nie ins Himmelreich kommen, wenn ich heute nicht einen Hirsch erlege.« Seit diesem Tage ward er nicht mehr gesehen, jedenfalls nicht als Mensch aus Fleisch und Blut. Man sagt, der Ritter gehe mit seinen Jagdfreunden in der Davert um. Sobald es dunkel werde, höre man das wilde Treiben, Hundegebell und Holla-Rufe. Ruhe sei erst, wenn er einen Hirsch erlege. Das ist bis heute nicht geschehen.

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Info die Teufelseiche steht am rinkeroder Weg/ecke grüner Weg in Ascheberg, Ortsteil davensberg, Landkreis coesfeld.

u n t e r W e g S d I e L A d u n g V e r LO r e n

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Jeder Glockenschlag ein Stich in die Brust des ­Teufels Der Perlachturm in Augsburg Michael kennt kein Erbarmen. Er sticht zu. Der knallrote Teufel zu seinen Füßen hat das Maul weit aufgerissen, und bei jedem Stich wirft er den Kopf hin und her und zappelt mit den Beinen. Solange sich der Teufel regt, dringt Erzengel Michael weiter auf ihn ein, mit jedem Schlag der Stundenglocke im Perlachturm in der Augsburger Altstadt. Der Turamichele, hochdeutsch: Turm-Michael, gehört zu den bemerkenswerten Teufelsdarstellungen in Deutschland. Das mechanische Figurenspiel, das man jedes Jahr nur um den 29. September herum erleben kann, dem Michaelstag, stellt den ewigen Kampf des Guten mit dem Bösen dar. Zwischen 10 und 18 Uhr schiebt sich das hölzerne Gebilde aus dem untersten Fenster des alten Wachturmes. Zu jeder vollen Stunde ringt der goldene Michael den roten Teufel nieder, jeder Glockenschlag ein Stich mit der Lanze.

Unzählige Menschen erwarten das Turamichele, hier um 1935

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Das erste Turamichele-Spiel soll aus dem Jahr 1526 stammen, geschaffen von dem Bildhauer Christof Murmann dem Jüngeren und dem Uhrmacher Georg Marquart. Schriftlich erstmals erwähnt wird es allerdings erst in einer Familienchronik aus dem Jahr 1616. Kaum war die freie Reichsstadt Augsburg dem Königreich Bayern zugeschlagen, untersagte die neue Regierung das Schauspiel. Das war 1806. Über die Ursache kursieren zwei Versionen: Offiziell hielt der bayerische König diese Darstellung für albern und im Sinne der Aufklärung für unwürdig. Inoffiziell heißt es, die Augsburger hätten im Geiste die neuen Machthaber in ihrem Turmteufel gesehen. Immerhin hielt das Verbot 16 Jahre, dann ließen Seine Majestät aus München die Augsburger wieder gewähren. Im Zweiten Weltkrieg wurden der Turm und das alte hölzerne Spielwerk schwer beschädigt. Doch die Augsburger waren findig. Mit ausdrücklicher Genehmigung der US-amerikanischen Besatzungsmacht führten sie das Turamichele-Spiel eben live auf, erstmals im Jahr 1946 und mit zwei SchauspieErzengel Mich lern auf einem Holzpodest am Perlachturm. ael ersticht de n Teufel Schon drei Jahre später war echter Ersatz da. Der Augsburger Malzfabrikant Ernst Gebler spendierte seiner Stadt eine neue hölzerne Figurengruppe, Bildhauer Karl Hoefelmayr aus Kempten im Allgäu schuf sie. Inzwischen haben die Augsburger das Turamichele-Fest zu einem großen Kinderfest entwickelt. An den Tagen um den 29. September strömen die kleinen und großen Leute zuhauf dorthin und zählen laut jeden Stich, den der Erzengel in die Brust des Gottseibeiuns fahren lässt. Nicht wenige Kinder lassen dazu Luftballons mit Zetteln aufsteigen, beschrieben mit »Augsburger Friedensgrüßen«. Schließlich kann ja erst Frieden sein, wenn das Böse endgültig niedergerungen ist.

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Info Der Perlachturm steht auf dem rathausplatz in Augsburg.

J e d e r g LO c K e n S c H L Ag e I n S t I c H I n d I e B r uS t d e S t eu f e L S

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Teufelsstein und Höllenschlund Der Böse wirkt in Bad Belzig Auf den Briesener Bergen, einst Grenze zwischen Sachsen und Brandenburg, wollen die Menschen den Teufel gesehen haben, der mit Findlingen nach Kirchen warf. Einer flog nach Nordosten an der Krahner Kirche vorbei, landete im Wald und gilt den Leuten seit seiner Entdeckung im 19. Jahrhundert als mystisch aufgeladener »Blauer Stein«. Ein anderer Stein flog in Richtung Süden. Der Böse wollte das Gertraudenhospital zerschmettern, wähnte er dort doch die nächste Kirche im Bau. Damals lag das Hospital noch vor den Toren der Stadt Belzig, heute ist die Stadt gewachsen, anerkannter Kurort und Sitz der Kreisverwaltung von Potsdam-Mittelmark. An der Brandenburger Straße findet man vor der westlichen Mauer des Kirchhofes einen dicken Stein, der mehr als einen Meter aus der Erde ragt. Der Umfang beträgt nach einer Beschreibung aus dem Jahr 1903 exakt 3,06 Meter. »Viele Jahre lag er dort vergraben«, heißt es in dem Beitrag von Paul Quade, »im Jahre 1900 wurde er herausgeholt und aufgerichtet«. Und woher weiß man, dass Luzifer den Brocken geworfen hat? »Die Hand des Teufels hatte im Stein einen

Der Teufelsstein liegt an der Brandenburger Straße in Bad Belzig

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tiefen Eindruck gemacht, wie jeder sehen kann.« Man muss in Bad Belzig auch nicht lange suchen, bis man jemanden findet, der die Geschichte zu erzählen versteht. Klar ist, dass die dunkle Macht das Werk der braven Christen zerstören wollte. Manche Autoren sahen in dem Bösen die slawische Religion, die östlich der Elbe vorherrschte, ehe sich die Christen im 10. Jahrhundert auf den Weg nach Osten machten. Das Böse verkörperten der Teufel, ein unbestimmter Riese oder die berüchtigte Frau Harke. Bemerkenswerterweise reichen etliche Interpretationen in die vorslawische Zeit hinein. Nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob der Stein auf dem Kirchhof wirklich von den Briesener Bergen aus dem Norden kam. Paul Quade schrieb 1903, der Findling sei vom Bricciusberge im Süden der Stadt geworfen worden. Stadtchronistin Helga Der Taufstein Kästner zitiert eine andere Quelle. Derzufolge in St. Marien stand der Dunkle auf dem Rabenstein und warf von dort. Der Berg im Hohen Fläming liegt mit gut 20 Kilometern noch weiter weg. Wer aber wirklich einmal einen Blick in die Hölle werfen will, schaut in Bad Belzig in der St. Marien-Kirche vorbei und sieht sich den Taufstein genau an. Dort erblickt man, wie verlorene Seelen in den Rachen eines Ungestüms marschieren, in den Höllenschlund. Der Taufstein ist ein seltenes Beispiel dafür, wie die Christen kurz nach der Reformation die Dinge sahen und mit welcher Bildsprache sie sich ausdrückten. Der Taufstein wurde 1568 für die Mönchenkirche in Jüterbog geschaffen und kam als Dauerleihgabe in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre nach Belzig, als St. Marien saniert und umgebaut wurde.

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Info Der Teufelsstein steht in Bad Belzig an der Brandenburger Straße unweit des Abzweiges zur Kirchhofstraße. die St. marien-Kirche liegt am Kirchplatz in der Innenstadt.

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Wo der Hintern des Bösen im Walde liegt Der Teufelsstein bei Bad Dürkheim Des Teufels wollte niemand sein, aber die unglaubliche Kraft des Dunklen zu nutzen, das war dann doch zu verlockend. Zwar galt die Warnung schon immer: Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um. Aber wenn es doch einem guten Zweck dient … Vielleicht dachten so die Mönche, die in der Haardt am Ostrand des Pfälzer Waldes das Kloster Limburg erbauten. Der Sage nach setzten die frommen Brüder den Gottseibeiuns als Bauhelfer ein. Historisch verbürgt ist, dass die Benediktiner im 11. Jahrhundert das Kloster errichteten. Beim Bau eines Klosters hätte der Teufel im Leben nicht mitgemacht. Also ließen ihn die Mönche glauben, sie würden an dieser Stelle im Wald eine Gaststätte errichten. In solchen Häusern wurde und wird oft und gern viel getrunken, und wo oft und viel getrunken wird, kann der Teufel reiche Seelenernte einfahren. Und so ging er den Mönchen zur Hand. In Windeseile trug er ihnen die riesigen Steinquader auf den Berg und schichtete sie aufeinander. Erst als es zu spät war und die Glocken zur feierlichen Weihe der Basilika riefen, merkte Luzifer, dass er über den Tisch gezogen worden war. Der Böse lief auf den Berg, der dem Kloster gegenüberliegt, und wollte einen gewaltigen Felsblock greifen und damit das Kloster zerschmettern. Doch im ewigen Ringen mit dem Bösen, griff der liebe Gott mal wieder ein. Anstatt den Mönchen die Leviten zu lesen, weil sie die Macht des Satans genutzt hatten, sorgte er dafür, dass der Teufel den Brocken nicht werfen konnte. Gott machte, dass der Fels weich wie Butter wurde. »Da setzte sich der Teufel darauf, und sein Hintern, seine Füße und sein Schwanz hinterließen Abdrücke, die noch bis zum heutigen Tage sichtbar sind«, erzählt die Sage. Heute heißt der Berg in der Haardt, wenige Kilometer vom Bad Dürkheimer Stadtzentrum entfernt, Teufelsstein. Der Monolith auf seiner Kuppe trägt denselben Namen. Die Bearbeitungsspuren auf der Oberfläche lassen den Schluss zu, dass der Fels in vorchristlicher Zeit als Kultobjekt diente. Und Kulte in vorchristlicher Zeit waren für Christen nun mal Teufelszeug. Fünf eingehauene Stufen führen nach oben zu einer Vertiefung, die als Opferschale für religiöse Riten der vormaligen, vermutlich keltischen Benutzer gedeutet wird und von der aus eine »Blutrinne« neben den Stufen nach unten verläuft. Der Teufelsstein trägt zahlreiche weitere eingehauene Symbole, die aus verschiedenen Zeiträumen stammen: neben Sonnenrädern, Runen und römischen 24   T EU F L I S C H E O R T E

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Klettern auf dem Teufelsstein macht Spaß

Ziffern lassen sich einige Markierungen erkennen, die an Steinmetzzeichen des 12. und 13. Jahrhunderts erinnern. Alten Überlieferungen zufolge müssen früher zudem zwei grob skizzierte menschliche Figuren sowie weitere Einritzungen sichtbar gewesen sein, die inzwischen verwittert sind oder sogar absichtlich zerstört wurden.

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Info Der Teufelsstein ist gut erreichbar über den Waldparkplatz an der Weilach in Bad Dürkheim.

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Richtig müde Beine Der schwerste Weg auf den Brocken Für Süddeutsche ist der Brocken ein Witz, für Norddeutsche eine echte Herausforderung. Endlich geht es mal über die natürliche Waldgrenze hinaus. Wer das Leben auf Meeresniveau gewohnt ist, dem jagen 1.141 Meter Höhe schon gehörigen Respekt ein. Und wenn man dann noch liest, wer sich alles hinauf getraut und das Erlebnis zu bedeutender Literatur verarbeitet hat, setzt das der Hochachtung noch die Krone auf. Also, was Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine und Hans Christian Andersen konnten, kann ich auch, und dann gleich richtig, das volle Programm, die schwierigste Tour. Der Teufelsstieg, den die Harz-Touristiker als heftigste Wanderung zum Brocken vermarkten, beginnt im niedersächsischen Bad Harzburg. Im Jahr 2005 hat man den Weg angelegt und mit Teufels-Schildchen ausgestattet. Seit Goethe dem Brocken in seinem »Faust« eine herausragende Rolle zuschrieb, gilt der Berg in ganz Deutschland als besonderer Teufels-Ort und Hexenplatz.

Die Teufelskanzel auf einer Ansichtskarte, um 1925

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Etwas mehr als 13 Kilometer lang ist die Strecke von Bad Harzburg bis auf den Brocken. Dabei müssen gute 900 Höhenmeter überwunden werden – auf 13 Kilometern. Das soll schwierig sein? Nach einem etwas sportlichen Anstieg vom Parkplatz an der Bundesstraße 4 geht es in die Ebene, Beim Brockenw irt konnte man 1921 mit Gutscheinen za durch prächtige Wälder, über hlen schöne Wiesen. Eine Augenweide nach der anderen, doch wahrlich keine Herausforderung. Frisch und frei läuft es sich über die Eckertalsperre, raus aus Niedersachsen, hinein nach Sachsen-Anhalt (Tafeln weisen auf die deutsch-deutsche Grenze an dieser Stelle hin) und im weiten Bogen um den Stausee herum. Die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, einfach herrlich. Nach gut zehn Kilometern liegt am Weg eine Rangerstation. So kurz vor dem Ziel eine Rast? Warum nicht, ein alkoholfreies Weizenbier ist lecker, ein isotonischer Knaller kann nicht schaden. Hätte ich geahnt, was nun kommt, ich hätte noch eines getrunken und ein drittes für den Weg eingesteckt. Aber ich wusste ja nicht, dass es zur Hölle nach oben geht. Die letzten dreieinhalb Kilometer des Teufelsstiegs führen nur bergauf. Von 900 Höhenmetern liegen 650 allein auf diesem Abschnitt. Der erste Kilometer geht auch noch, doch allmählich lässt die Kraft nach. Alle 100 Meter stehenbleiben, verschnaufen, pumpen wie ein Maikäfer und weiter. Der Kolonnenweg, auf dem einst die DDR-Grenzsoldaten Patrouille fuhren, zieht sich und zieht sich. Jeder Schritt ist wie ein Kilometer. Endlich kommt das Brockenhaus in Sicht. Mit diesem Ziel vor Augen schleicht es sich leichter. Kurz vor dem Gipfel ziehen zwei Radler an mir vorbei. Nie wieder lächele ich über die Schwierigkeits-Kategorien in Wanderführern. Doch oben ist alle Mühe vergessen. Die herrliche Aussicht entschädigt für alles.

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Info ein guter Startort für eine Wanderung auf den Brocken ist in Bad Harzburg, Landkreis goslar, großparkplatz an der Bundesstraße 4.

RICHTIg müDE bEInE

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Von wegen nur eine Sage Der handfeste Streit um die Teufelsskulptur in Bad Laer Die Protagonisten dieses Denkmals haben sich gewiss nicht mehr dabei gedacht als die Unterstützer ähnlicher Skulpturen anderswo. In Bad Laer existiert seit Urzeiten die Sage, der zufolge der Teufel die gerade gegossene Glocke aus dem Kirchturm gerissen und sie in die Salzquelle geworfen habe. Und zwar, weil er die Christen mit ihrem Gebimmel einfach nicht leiden konnte. Das Gewässer, aus dem das Läutwerk immer noch ertönt, heißt deshalb Glockensee. Also wurde kurzerhand eine passende Skulptur in den Kurpark gestellt, die für die Einheimischen ein Stück Heimatgeschichte darstellt und den Kur- und anderen Gästen etwas über den Ort im Westfälischen erzählt. Die Figur des Osnabrücker Künstlers Werner Kavermann stand noch nicht einmal im Kurpark, da schlugen die Wellen der Empörung schon hoch. Zwei Männer und eine Frau forderten im März 2010 ein Bürgerbegehren, um zu erreichen, dass sich das Kunstwerk zum Teufel schert. Begründung: »Gerade in Bad Laer mit seinen starken christlichen Wurzeln sollte keine Teufelsfigur im

Blick auf das idyllische Bad Laer, hier eine Ansichtskarte um 1935

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Kurgarten aufgestellt werden«, ließ einer der Protestierer die »Neue Osnabrücker Zeitung« wissen. Ein Denkmal für den Teufel? Allein die Darstellung verstoße gegen die Grundsätze der Christen im Ort, monierten die Kritiker. Auch solle der Kurpark der Erholung dienen und nicht als Standort für »abstoßende Figuren«, heißt es weiter. Rein künstlerisch betrachtet muss man das Werk ganz und gar nicht abstoßend finden. Jedenfalls blieb es beim Wunsch nach einem Bürgerbegehren und die Skulptur kam 2010 in den Park. Das Besondere an diesem Kunstwerk: Mitten in der Brust des Gehörnten, der überhaupt nicht diabolisch und grimmig dreinschaut, klafft ein quadratisches Loch. Darin baumelt ein Glöckchen, das die sagenumwobene Glocke vortrefflich symbolisiert. Doch wer meint, nun wäre Frieden eingekehrt, hatte die Wette mit dem Teufel gemacht: 2014 verschwand das Glöckchen. Es kam Ersatz, doch auch der war 2015 fort. Buntmetalldiebe? Rache? Dabei ist die Sage die allerbeste Mahnung, es mit den christlichen Gebräuchen wirklich ernst zu nehmen. Nie im Leben hätte der Fürst aller Bösen die Laerer Glocke zu fassen gekriegt, wenn sie rechtzeitig geweiht worden wäre, heißt es in der Überlieferung. Mit viel Mühe und Der Teufel ohne Glöckchen Schweiß hatten die Einwohner das gute Stück in den Turm bekommen. Als sie das erste Mal schlug, obwohl noch ungeweiht, und sich die Leute über den hellen und klaren Klang erfreuten, da erhob sich ein unheimliches Brausen. Doch es war nicht der Pfarrer, der die fehlende Weihe anmahnte, sondern Luzifer, der sich die Glocke packte und im Gewässer versenkte. Vielleicht sollte man im Glockensee fahnden und hat dann gleich drei Stück in der Hand.

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Info Der Kurpark in Bad Laer, Landkreis Osnabrück, ist an der Kurgartenallee zu finden.

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Die Seele des dummen Esels Wie Burg Rheingrafenstein vom Teufel gebaut wurde Schaut man von Bad Münster über die Nahe hinweg und zur Kuppe des Berges, erkennt man die Reste einer stolzen Burg. Wahrscheinlich im 11. bis 12. Jahrhundert ließen Nahegaugrafen die Feste errichten. Im 11. Jahrhundert tauchte der Name »Huhinstein« für den Bauplatz auf. Sie gilt als Stammburg der Ritter vom Stein. Die Sage erzählt, dass ein Rheingraf mal wieder in Fehde mit dem Erzbischof von Mainz lag. Wie der Ritter den Fels hoch über der Nahe erblickte, da wünschte er sich, dort eine Burg bauen zu können. Kaum gedacht, stand plötzlich ein sonderbarer Gesell vor ihm. Gewandet wie ein Jäger, hinkte er vor dem Ritter auf und ab und sprach: »Ich kenne Deine Gedanken und helfe Dir gern.« Dem Grafen war klar, dass er es mit dem Gottseibeiuns zu tun hatte. »Wenn Du willst, steht dort oben morgen früh Deine Burg«, fuhr der dunkle Fürst fort. »Und der Preis?«, fragte der Ritter. »Ich will nur die Seele dessen bekommen, der zuerst durch eines der Burgfenster schaut«, sagt der Teufel. Tatsächlich dauerte es eine Weile, bis die Burg auf dem 136 Meter hohen Porphyrfelsen entstand. Als Besitzer traten die Herren vom Stein bereits im 12. Jahrhundert auf. Im Jahr 1196 nannte sich Wolfram vom Stein erstmals »Rheingraf«. Diese Bezeichnung ging auf die Burg über, allerdings erschien der Name Burg Rheingrafenstein erst im 13. Jahrhundert in einer Quelle. Und die Sage? Der Ritter wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte, doch seine Gattin erkannte die Gunst der Stunde: »Schlag ein und lass mich nur machen«, könnte sie gesagt haben. Er trat also anderntags vor den Bösen, besiegelte den Vertrag, und siehe da: Schon am nächsten Morgen thronte auf dem Felsen die versprochene Burg. »Und im Dörflein Münster recken sich die Leute fast die Hälse aus«, heißt es in der Sage. Wer heute vom Ort auf kürzestem Wege zur Burg will, nutzt die per Hand gezogene Fähre über die Nahe. Im Jahr 1689 wurde die Burg von französischen Soldaten zerstört. 32 Jahre später gab man die Ruine für den Bau von Salinen frei. Heute sind nur noch Reste der Grundmauern, ein Gewölbekeller und Treppen zum Wohnturm vorhanden. Vielleicht war dies die späte Rache des Teufels. Als nämlich der Ritter mit Weib und Gefolge in die vom Satan errichtete Feste einzog, war es allen Menschen strikt verboten, aus den Fenstern zu schauen. Die Gräfin nahm einen Esel, setzte ihm das Barett des Burgkaplans auf und führte ihn in den Rittersaal. Das Fenster öffnete sich und der Esel »schaut 3 0   T EU F L I S C H E O R T E

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